Antriebskonzepte und ihre Vor- und Nachteile
Bild: Auch 2018 fährt unser Audi R8 LMS beim ADAC GT Masters mit Heckantrieb.
Vorderradgetriebene Pkw bestimmen heutzutage das Straßenbild und dafür gibt es gute Gründe, doch auch Hinterradantriebe und Allradfahrzeuge bieten Vorteile. In diesem Artikel werden wir darauf eingehen und die Konzepte historisch einordnen. Dank der Begriffserklärung werdet ihr nie wieder einen Heckantrieb mit einem Hinterradantrieb verwechseln und könnt Interessierten auch das Unter- und Übersteuern genau erklären. Antriebsvarianten lassen sich nämlich grundsätzlich danach unterscheiden, welche Achse die Kraft auf die Straße bringt und wo der Motor sitzt. Aus der Kombinationen zwischen Motor und angetriebener Achse leiten sich der Frontantrieb, der Standardantrieb und der Heckantrieb ab.
Unterscheidung nach angetriebener Achse
Hinterradantrieb
Bild: Max Patzig @flickr.com
Werden bei einem Auto die Hinterräder für die Kraftübertragung des Motors auf die Straße genutzt, spricht man von einem Hinterradantrieb. Dieses Konzept bestimmte die Anfangszeit der automobilen Entwicklung, denn während die hinteren Räder für den Vortrieb sorgen, kann das Fahrzeug über die Vorderachse gesteuert werden. Die Funktionstrennung zwischen Lenkung und Antrieb macht Sinn, denn aufgrund des Lenkeinschlags muss die Antriebswelle der Winkeländerung folgen, ohne dass es zu Änderungen in der Winkelgeschwindigkeits- und Drehmomentübertragung kommt. Erst sogenannte Gleichlaufgelenke wie sie die Firma Tracta Ende der 1920er-Jahre entwickelte, lösten das Problem zufriedenstellend. Zudem war der Hinterradantrieb bei Kunden beliebt und erst ab den 1970er-Jahren fand ein Umdenken statt. Fahrzeuge mit Hinterradantrieb können mit Frontmotor, Mittelmotor und Heckmotor kombiniert werden und neigen in schnellen Kurven eher zum Übersteuern. Vor allem Freunde von Sportwagen schwören jedoch auf Hinterradantrieb.
Vorderradantrieb
Bild: Lothar Spurzem @wikimedia.org (CC BY-SA 2.0 DE)
Bei einem Vorderradantrieb sorgen die Vorderräder für den Vortrieb, was zunächst eine Herausforderung darstellt. Die Vorderachse dient schließlich auch der Lenkung und so dauerte es 30 Jahre bis nach dem ersten Fahrzeug mit Vorderradantrieb der Automobilwerkstatt Gräf & Stift aus Wien das Konzept marktreif war. Es sollten weitere 40 Jahre vergehen, eh die Vorteile des Vorderradantriebs zur allmählichen Verdrängung von hinterradgetriebenen Autos führte. In der Kombination mit einem Frontmotor kann die gesamte Antriebseinheit aus Motor, Kupplung, Getriebe und Antriebswelle platzsparend verbaut werden. Das vereinfacht die Montage, spart Geld und ermöglicht komfortables Reisen der Passagiere durch mehr Innenraum. In schnellen Kurven reagieren Wagen mit Vorderradantrieb durch leicht beherrschbares Untersteuern. Beim Beschleunigen überwiegen jedoch die Nachteile, denn die Vorderachse wird dynamisch entlastet und die Räder können schneller durchdrehen. Insbesondere leistungsstarke Sportwagen setzen daher weiterhin auf Hinterradantrieb.
Allradantrieb
Bild: allen watkin @wikimedoa.org (CC BY_SA 2.0)
Den Königsweg bei den angetriebenen Achsen stellen Allradfahrzeuge dar. Das Motordrehmoment wird auf alle vier Räder verteilt, wodurch sich der Schlupf jedes einzelnen Rades verringert. Die bessere Traktion wird vor allem für schwieriges Gelände benötigt und hilft dabei, das Auto auch dann bewegen zu können, wenn ein Rad keine Haftung besitzt. Dies ist z.B. auf Eis, im losen Sand oder auf steilen Bergetappen der Fall. Mittlerweile kann der Fahrer teilweise schon die Verteilung der Antriebskraft selbst festlegen und bestimmen, ob eher die Vorder- oder eher die Hinterräder angetrieben werden sollen. Neben Geländefahrzeugen profitieren aber alle Autos von der höheren Traktion, denn hohe Leistung und hohes Drehmoment lassen sich besser auf die Straße bringen. Auch in Kurven macht der Allrad Spaß, denn das Auto bleibt deutlich länger beherrschbar und kann im Fall eines Über- oder Untersteuerns auch schnell wieder auf Kurs gebracht werden. Nachteil des Antriebs ist die aufwendige Konstruktion, die Geld kostet und für Gewicht sorgt.
Unterscheidung nach Motorposition
Heckmotor
Das erste moderne Automobil, der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 von 1886, besaß einen Heckmotor und viele weitere Klassiker wie z.B. der Porsche 911 oder der VW Käfer folgten dem Beispiel. Durch den hinten sitzenden Motor ist keine Kardanwelle notwendig und das Gewicht auf der Hinterachse bringt Traktionsvorteile. Allerdings bieten Fahrzeuge mit Heckmotor tendentiell weniger Stauraum, denn der nun vorne liegende Kofferraum wird durch Teile der Lenkung eingeschränkt. Auch das übersteuernde Fahrverhalten sollte geübt werden. Heckmotoren werden übrigens immer mit Hinterradantrieb kombiniert. In Ausnahmefällen kommen sie auch bei Allradfahrzeugen zum Einsatz.
Frontmotor
Der vorne liegende Motorraum mit Frontmotor prägt den aktuellen Automobilbau. In Kombination mit einem Vorderradantrieb sind besonders platzsparende Konstruktionen möglich, doch ein Frontmotor lässt sich auch ohne weiteres mit Heck- und Allradantrieb kombinieren. Der Motor selbst kann längs und quer eingebaut werden, wobei die genaue Position variieren kann. Sitzt der Motor hinter der Vorderachse spricht man auch von einem Frontmittelmotor, den man aber nicht mit einem Mittelmotor verwechseln darf. Der Motor kann auch direkt über der Achse positioniert werden oder davor verbaut sein, wobei dann meist Kupplung und Getriebe nach hinten rücken, damit das Auto nicht kopflastig wird.
Mittelmotor
Einen Mittelmotor findet man in der Regel vor der Hinterachse, jedoch hinter den Passagieren. Er wird meist mit Hinterradantrieb kombiniert, ist bei entsprechendem Aufwand aber auch mit Allradantrieb einsetzbar. Der Antriebsstrang muss dann um den Motor herum geführt werden. Vorteile der Motorposition ist ein ausgewogenes Fahrverhalten in Kurven, da das Auto durch die günstige Gewichtsverteilung weder zum Unter- noch zum Übersteuern neigt. Das Auto wirkt agil und spritzig und bietet durch große Knautschzonen einen Mehrwert in der passiven Sicherheit. Demgegenüber steht eine eingeschränkte Alltagstauglichkeit durch meist nur eine Sitzreihe sowie eingeschränktes Kofferraumvolumen. Auch die Wartung des Motors ist meist aufwändig und teuer.
Unterscheidung nach Antriebseinheit
Die Position des Motors und die angetriebene Achse bestimmen, ob man von einem Heckantrieb (Heckmotor mit Hinterradantrieb), einem Frontantrieb (Frontmotor mit Frontantrieb) oder einem "Standardantrieb" (Front-Mittelmotor mit Hinterradantrieb) spricht. Die Bezeichnung Standardantrieb ist dabei besonders interessant, denn bis zum Siegeszug des Frontantriebs ab den 1970er-Jahren war diese Konstruktion in der Tat Standard. Dabei befinden sich Kupplung und Getriebe ebenfalls vorne und das gewandelte Motordrehmoment wird über eine Kardanwelle, auch Gelenkwelle genannt, an die Hinterachse geführt. Mittlerweile sind Pkw mit Frontantrieb deutlich in der Mehrheit. Gibt es eigentlich auch Fahrzeuge mit Heckmotor und Vorderradantrieb? Diesen Versuch gab es in der Tat: Mit dem Gregory Sedan 1947 hat es Erfinder Ben F. Gregory zumindest ins Museum geschafft, auch wenn der Prototyp keinerlei Vorteile gegenüber anderen Antrieben aufwies sowie teuer und unsinnig war.
Eine weitere Besonderheit stellen Fahrzeuge mit Transaxle dar. Es handelt sich um eine Wortkreation aus den englischen Begriffen für Getriebe (transmission) und Achse (axle). Dabei sitzt das Getriebe nicht mehr am Motor, sondern wird zusammen mit dem Differential und häufig auch der Kupplung an der Hinterachse verbaut. Die Drehbewegung der Kurbelwelle wird durch eine gelenklose Antriebswelle (Transaxlewelle) an die Hinterachse übertragen. Die gute Gewichtsverteilung sorgt für Fahrstabilität und die übertragenen Drehmomente sind geringer als bei Kardanwellen. Allerdings kann sich die Lagerung der Transaxlewelle geräuschvoll bemerkbar machen und der Platz im Kofferraum ist stark eingeschränkt. In der Praxis sind vor allem Sportwagen mit einem Transaxle-Hinterradantrieb ausgestattet.
Übersteuern und Untersteuern - Was ist das eigentlich?
Mit dem Begriff Über- und Untersteuern wird das Fahrverhalten eines Autos in schnellen Kurven charakterisiert. Zu wissen wie sich das Auto im Grenzbereich verhält und wie man es beim Ausbrechen wieder unter Kontrolle bringt, kann in Gefahrensituationen entscheidend sein.
Übersteuern
Bild: Raimond Spekking @wikimedia.org (CC BY-SA 4.0)
Wird eine Kurve zu schnell angegangen, bricht das Auto beim Übersteuern am Heck aus, sodass der Schräglaufwinkel der Hinterräder größer ist als der der Vorderräder. Das Fahrzeug will also stärker in die Kurve fahren, als der Fahrer durch den Lenkeinschlag vorgegeben hat. So erklärt sich auch die Bezeichnung. Dieses Fahrverhalten tritt besonders bei Pkw mit Heckantrieb auf und kann ohne entsprechendes Training zum unkontrollierten Schleudern führen. Wer in eine solche Situation gerät sollte den Fuß vom Gas nehmen und rasch gegenlenken, d.h. in jene Richtung in die das Heck ausbricht. Man sollte "zügig" jedoch nicht mit "stark" verwechseln, denn wer zu sehr gegensteuert, riskiert Aufschaukeln und eine unkontrollierbare Gegenreaktion. Beim Ausweichen plötzlicher Hindernisse empfiehlt es sich zudem, nicht auf das Hindernis selbst, sondern auf den Fluchtweg zu schauen. All diese Verhaltensweisen lassen sich am besten in einem Fahrtraining üben. Auf der Rennstrecke kann das Übersteuern zum Driften genutzt werden und erlaubt erfahrenen Profis, Kurven schneller zu nehmen und gewagte Überholmanöver anzusetzen.
Untersteuern
Bild: FAEP @irgendwo.com (CC BY 2.0)
Ist der Lenkeinschlag größer als die Bewegungsrichtung des Fahrzeuges, spricht man vom Untersteuern. Das Auto "schiebt" über die Vorderachse und folgt einer Kurve durch seine Massenträgheit nicht so sehr wie vom Fahrer gewünscht. Der Pkw wird nach außen und ggf. von der Fahrbahn getragen. Dieses Phänomen tritt vor allem bei Pkw mit Frontantrieb auf und lässt sich in der Regel leichter beherrschen als Übersteuern, da das Auto durch die Vorderräder abgebremst wird und damit wieder an Spurstabilität gewinnt. Auch Autos mit Hinterradantrieb können zunächst untersteuern, weil der schwere Motor vorne liegt. Wenn dann jedoch plötzlich das Untersteuern in ein Übersteuern übergeht, ist der Unfall für ungeübte Fahrer vorprogrammiert. Fahrzeuge sollten daher ein vorhersagbares Fahrverhalten an den Tag legen, wobei angepasste Geschwindigkeiten den besten Schutz darstellen. Das Verhalten in Notsituationen lässt sich in einem Sicherheitstraining üben. Sowohl Untersteuern als auch Übersteuern lassen sich durch moderne Technik wie das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) vermeiden.